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António Lobo Antunes

Zweites Buch der Chroniken

Erscheinungstermin: 11. Juni 2007

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Das „Zweite Buch der Chroniken“ versammelt 78 der Kolumnen, die António Lobo Antunes alle vierzehn Tage für eine portugiesische Tageszeitung schrieb. Der weltberühmte Autor, der in seinen Romanen die portugiesische Geschichte und die Abgründe der menschlichen Seele erforscht, zeigt sich in diesen kurzen Geschichten sehr persönlich und facettenreich. Leichtfüßig, ironisch, verschmitzt, aber auch wehmütig und manchmal verzweifelt erzählt er von den Kleinigkeiten des Alltags, von Erinnerungen, Gerüchen und Geräuschen, von Begegnungen mit Menschen und von den Gründen, die ihn zum Schreiben zwingen. Er spürt allen Elementen nach, aus denen er, António Lobo Antunes, zusammengesetzt ist und entfaltet dabei einen ganzen Kosmos, in dem Schmerz ebenso wichtig ist wie unendliche Liebe, Fußball wie Parfümflakons, einsame Damen in Segeltuchstühlen wie Sonnenblumenfelder in Angola. Eine unbezähmbare Neugier auf die Welt spricht aus diesen Miniaturen - und die Faszination des scheinbar Unmöglichen: sie im Schreiben festzuhalten.

Als Junge erlebte der Erzähler die Schwerhörigkeit seines Großvaters wie eine besondere Auszeichnung. Er war dem normalen Dasein entrückt, kommunizierte bestimmt mit den Engeln und baute Wolken mit seiner Zigarettenspitze. Vermutlich war Wolkenbauen seine Hauptarbeit, denn die Dienstmädchen redeten ihn mit „Herr Ingenieur“ an. „Seine vollkommenen, gestrengen Rauchkaravellen segelten den ganzen September hindurch nach Westen, trugen die Wildenten und den Sommer mit sich fort.“ Jetzt ist der Erzähler selbst schwerhörig und wünscht sich, ein ungelenkes Wölkchen bauen zu können. Der Schriftsteller ist „einsamer als eine im leeren Hotelzimmer vergessene Jacke, wenn der Wind und die Enttäuschungen nachts den Rollladen klappern lassen“, und hört dennoch nicht auf, „Worte so tief einzugravieren, daß der Finger über die Zeilen streicht und das Feuer und das Blut fühlt“. Gut, daß er Freunde hat, „die ihn mit jener Nachsicht betrachten, die man jemandem entgegenbringt, der im Dienst von etwas ganz und gar Unsinnigen einen Arm verloren hat“.

Aus der Feststellung „Das Schönste, was ich bis heute gesehen habe, waren zwanzigtausend Hektar Sonnenblumen in der Baixa do Cassanje in Angola“ entwickelt sich eine hymnische Liebeserklärung an ein Land, das er während eines grausamen Krieges kennen lernte. Und in die Betrachtung des nächtlichen Lissabon, in dem nach und nach die Lichter angehen, mischt sich die Erinnerung an die Kinoreklame früher, als der Elfjährige sich unsterblich in Lana Turner verliebte, sich die tollsten Entschuldigungen für seine Mutter ausdachte, weil die Schauspielerin geschieden war, sie dann aber mir nichts, dir nichts fallenließ und Anne Baxter anschwärmte: „Besonders schön war das sicher nicht, aber die Seele des Menschen ist unbarmherzig.“ Ein Mann schimpft seine Frau aus, die ihn, typisch Spatzenhirn, vor einer verfallenen Bruchbude absetzt, dabei hat er ihr genau beschrieben, wo sein Elternhaus steht, das war eine schöne, große Villa, das hätte er sich ja denken können, sie hat noch nie irgendwas begriffen. Eine Frau fragt sich, wieso ihr Mann es nicht mehr mag, wenn sie ihn berührt, warum er mit ihr nicht mehr zum Strand hinunterläuft, um Möwen zu verjagen. Sie wird am Strand warten, denn „die Heimat einer Frau ist dort, wo sie sich verliebt hat“.

Im Gespräch mit einem Russen geht es von Schach zur Vaterlandsliebe, denn als der Russe zärtlich von „Mütterchen Russland“ spricht, stellt der Erzähler fest, daß „Väterchen Portugal“ irgendwie daneben liegt. Und Gott, ja, der darf hier nicht fehlen, hat er doch in den Überlegungen des Chorknaben eine große Rolle gespielt. Er beobachtete, daß die Kirchgänger Kissen für die Knie mitbrachten und sich den Staub von der Hose schüttelten, und stellte fest, daß Gott nicht besonders reinlich war oder eine unfähige Putzfrau hatte. Und wenn man dann noch das Bild sah, auf dem „der langhaarige Mann auf einer Wolke hockte und die Blitze in der Hand hielt wie ein Elektriker“, konnte man sich kaum vorstellen, daß „der schlampige Vagabund“ hereingelassen und ins Wohnzimmer zu den anderen Verwandten gebeten wurde, wenn er plötzlich an der Tür klingelte …

  • Ausgabeformat
    Taschenbuch, Klappenbrosch.
    Deutsche Erstausgabe
  • Übersetzt von
    Maralde Meyer-Minnemann
  • Seiten & Größe
    320 Seiten | 11,8x18,7 cm
  • ISBN
    978-3-630-62087-9
  • Preis
    EUR 10,00 [DE] [inkl. MwSt] | EUR 10,30 [AT] | CHF 14,50 [CH]*
    (* empf. VK-Preis)
  • Verlag
    Luchterhand Literaturverlag
  • Originaltitel
    Segundo Livro de Cronicas
  • Originalverlag
    Publicacoes Dom Quixote

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Cover

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    António Lobo Antunes

    Autor

    wurde 1942 in Lissabon geboren. Er studierte Medizin, war während des Kolonialkrieges Militärarzt in Angola und arb...
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    Maralde Meyer-Minnemann

    Übersetzerin

    geboren 1943 in Hamburg, erhielt u.a. den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzungen, den Helmut-M.-Braem...

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